Der kleine Stern und das Weihnachtslicht
„Nanu?“ Verwundert starrte der kleine Stern auf das Städtchen hinab. Er liebte es, den Platz mit dem bunten Weihnachtsmarkt dort zu besuchen. Mit Blicken nur. Ganz fest hat er es seinem alten Lehrer, dem Wolkenmaler Petronius, versprochen. Er würde in diesem Jahr nicht wieder heimlich seinen Himmelsplatz verlassen und den Menschenweihnachtsmarkt besuchen. Das hatte er im letzten Jahr kurz vor dem Weihnachtsfest getan und es war sooo schön dort gewesen. In der großen Tanne hatte er gesessen und die Menschen, kleine und große, hatten sich riesig über seinen Besuch gefreut. Lieder hatten sie für ihn gesungen. Weihnachtslieder. Schön war das gewesen. Aber auch verboten.
„Sterne haben in der Menschenwelt nichts zu suchen“, hatte Petronius ihm erklärt. „Jeder muss an seinem Platz bleiben.“
„Und warum können wir uns nicht gegenseitig besuchen?“, hatte der kleine Stern gefragt.
„Es ist gegen die Ordnung“, hatte der alte Wolkenmaler geantwortet. „Und Ordnung muss Ordnung bleiben.“
Wie die Kinder auf der Erde hatte der kleine Stern ein „Ordnung ist doof“ gebrummelt und Petronius hatte ihn genau so mahnend angesehen wie es die Mütter auf der Erde tun, wenn die Menschenkinder keine Lust haben, ihre Zimmer aufzuräumen und „Ordnung ist doof“ maulen. Ja, genau so hatte sich der kleine Stern nun auch gefühlt. Aber er gehorchte. Noch einmal wollte er Petronius nicht enttäuschen. Dazu mochte er ihn zu sehr.
Er mochte aber auch die Menschen und ganz besonders liebte er jenen kleinen Platz dort unten mit dem großen bunten Weihnachtsmarkt und der hohen Weihnachtstanne. Und was er gerade sah, gefiel ihm gar nicht. Dunkel nämlich war es auf einmal dort geworden. Kein Licht war zu sehen. Weder an den Zweigen der prächtigen Lichtertanne, noch bei den Buden und Schmuckgirlanden. Auch die Straßenlaternen waren dunkel und hinter den Fenstern der Häuser fehlte das Licht. Was war geschehen?
Der kleine Stern beugte sich von seinem Himmelsplatz ein wenig weiter dem bunten Platz, der nun ein dunkler Platz war, zu und lauschte.
„Dunkel. Es ist so dunkel hier“, riefen Kinderstimmen.
„Wo ist das Licht geblieben?“
„Haben wir einen Stromausfall?“
„Gibt es heute keinen Weihnachtsmarkt?“
„Bitte, Licht, komm zurück!“
„Oh, wie traurig das ist! Eine Weihnachtslichtertanne ohne Licht.“
Ja, das fand der kleine Stern auch. Richtig traurig sah es aus auf dem Marktplatz und richtig traurig klangen auch die Stimmen der Menschen. Und richtig traurig war nun auch der kleine Stern.
„Wenn ich nur helfen könnte!“, murmelte er.
Eine Idee hätte er ja, doch die würde dem Wolkenmaler nicht gefallen.
„Ich könnte meine Flockensterne zu der kleinen Stadt schicken“, schlug da die dicke Schneewolke vor. „Sie malen das Dunkel hell.“
„Gute Idee! Jaja. Mach das!“, rief der kleine Stern. „Gleich! Jetzt! Auf der Stelle. Schicke deine Schneeflocken zu den Menschen hinunter. Bestimmt sind sie dann nicht mehr ganz so traurig.“
Und schon fing es leise und sacht an zu schneien, obwohl von den Wettermenschen im Radio eigentlich kein Schneetag gemeldet worden war.
Schön war es, wie viele tausend und mehr kleine schimmernd funkelnde Schneeflocken die kleine Stadt ganz schnell in eine weiße Märchenstadt verwandelten. Sie schimmerten hell und verbreiteten ein zartes Silberlicht ringsum.
Da freuten sich die Menschen!
„Oh!“, riefen sie. „Flockensterne! Sie bringen uns das Weihnachtslicht zurück.“
Sie versammelten sich bei der dunklen Lichtertanne und sangen ‚Leise rieselt der Schnee‘, ‚Fröhliche Weihnacht überall‘, ‚Schneeflöckchen Weißröckchen‘, ‚O Tannenbaum‘, ‚Morgen Kinder wird’s was geben‘, ‚Jingle Bells‘ und viele andere Weihnachtslieder.
Immer mehr Menschen kamen zusammen und stimmten in den Gesang mit ein und das klang so feierlich, dass es der kleine Stern auf seinem Himmelsplatz nicht mehr aushielt.
„Bring mich zu den Menschen hinunter“, bat er die Schneewolke. „Nur für einen klitzekleinen Moment.“
Er hüpfte in das weiche Wolkenbett und ließ sich zusammen mit vielen neuen Schneeflockensternen zur Erde tragen. Schon landete er - schwupps - wieder einmal in der Spitze der dunklen Weihnachtsmarkttanne. Und die war - schwupps - nun nicht länger dunkel. Mit seinem Sternenlicht malte der kleine Stern einen hellen, goldenen Schimmer in die silberweiße Schneeflockensternewelt, und das sah sehr festlich aus.
Wie freuten sich die Menschen da!
„Der kleine Stern!“, rief ein Kind. „Seht! Der kleine Stern ist wieder da!“
„Oh! Wie schön!“, riefen alle Menschen. „Hallo, kleiner Stern. Du machst das Dunkel hell. Wir danken dir.“
Und weil sie sich so sehr freuten, sangen die Menschen für den kleinen Stern noch viele Lieder. Sie sangen und sangen und merkten nicht, dass der Strom längst zurückgekehrt war und die Tanne, die Buden ringsum, die Straßenlaternen und Fenster wieder in hellem Licht prangten. Sie sahen auch nicht, wie der kleine Stern von der Wolke aufgesogen und zurück zu seinem Himmelsplatz getragen wurde.
Noch lange sangen die Menschen an diesem Abend ihre Lieder. Und Petronius, der alte Wolkenmaler, lächelte. Es war gut so, wie es gewesen war.
© Elke Bräunling
Der kleine Stern besucht gerne die Erde, obwohl es ihm der Wolkenmaler "verboten" hat. Aber er kann eben manchmal nicht anders, weil er helfen will. Und irgendwie kann das sogar Wolkenmaler Petronius verstehen.
Hier hat der kleine Stern die Erde zum ersten Mal besucht:
Der kleine Stern und das Weihnachtswunder
Und im Herbst nun war er auch wieder unterwegs:
Der kleine Stern besucht gerne die Erde: Als der kleine Stern die Erde besuchen wollte und Der kleine Stern und die allergrößte Laterne
Einmal ist er in einer dunklen Straße gelandet und hat dort ein Kind mit einer Laterne getroffen: Der kleine Stern und das wunderzarte Lied